Deutschland – Kanada – Der Vergleich

Ich werde oft gefragt, ob es in Kanada besser ist als in Deutschland oder überhaupt im Vergleich zu anderen Ländern.

Deshalb hier mal ein paar Fakten zum Vergleich:

Land und Leute

Dass die Kanadier sehr freundlich sind, hab ich ja bereits schon öfters erwähnt. Oftmals ist es zwar nur oberflächliches Interesse, wie z. B. in einem Geschäft oder auf der Bank usw. aber es geht auch anders: egal wo man ist und Hilfe braucht oder ob einem etwas herunterfällt, da ist immer jemand bzw. eher viele Leute, die sofort zur Stelle sind und Hilfe anbieten. Man wird überall, ob im Geschäft oder am Telefon IMMER zuerst gefragt: “How are you?” Man fragt natürlich auch zurück. “Good, how are you?”

In Deutschland ist ja momentan Ausländerfreundlichkeit/-feindlichkeit ein großes Thema. Soll man Ausländer einfach ins Land lassen und wenn ja, wie viele und wie soll das mit dem Zusammenleben funktionieren, wenn doch jeder eine ganz eigene Kultur hat…..!?

Genau das zeigt Kanada ganz wunderbar. Hier TUT man es einfach. Man lebt und lässt leben. Man macht sich keine Gedanken im Bus, wo der ausländisch aussehende Mann neben einem herkommt und ob er meine Sprache spricht und ob er was schlimmes vorhat usw. Das scheint hier keiner zu denken. Man lebt einfach MITEINANDER! Das ist eine Frage der Gesellschaft: Lehrt die Gesellschaft dich, andere als Gefahr anzusehen, dann siehst du sie auch so. Fühlst du aber wie hier, dass keiner über einen anderen urteilt oder jemanden komisch anschaut, weil er anders aussieht oder eine andere Sprache spricht, dann kommst du gar nicht auf die Gedanken einen Mitmenschen als Gefahr anzusehen. Er spricht halt eine andere Sprache – na und!? 🙂 Das passiert dir auch wenn du von Mespelbrunn nach Weibersbrunn kommst… plötzlich wird eine ganz andere Sprache gesprochen. Sind wir deshalb gefährlich für einander!? 😉

Ich hab hier noch kein einziges Mal gehört, dass jemand über einen anderen Menschen gelästert hat oder dass man jemanden meidet, weil er eine andere Hautfarbe hat oder ausländisch aussieht. Überhaupt nicht. Kanada ist ein wirklich wunderbares Beispiel darin, wie MITEINANDER LEBEN aussehen kann. Überhaupt ist Lästern hier gar kein Thema. Ob jemand was Verrücktes anhat oder sich anders benimmt: Das kümmert keinen Menschen.

Der Schlüssel ist also: “Leben und leben lassen” Aufhören, sich über andere so viele Gedanken zu machen. “Fege vor deiner eigenen Tür” wie es so schön auf deutsch heißt.

Schule

Was ich oben schon beschrieben habe, trifft auch auf die Schule zu. Hier scheint es KEIN MOBBING zu geben. Zumindest habe ich noch von keinem Vorfall gehört. Die Kinder lernen vom Abschauen bei den Erwachsenen, dass man nicht über andere lästern oder urteilen muss; dass man höflich ist und fragt, wie es dem Gegenüber geht; dass man vor älteren Leuten/ Lehrern/ Eltern Respekt hat.

Das Schulsystem ist ebenfalls ganz schön gut. Nicht nur dass mit den Kindern hier ganz anders umgegangen wird (jedes Kind zählt; jedes Kind wird einzeln gesehen; jedes Kind wird mit Respekt und Freundlichkeit behandelt); Die Lehrer sind sehr bemüht, sich auf jedes Kind einzustellen, jedes Kind als Individuum zu sehen und zu behandeln. Genauso die Eltern: man bekommt als Eltern von jedem einzelnen Lehrer mehrmals die Woche Emails mit Infos über den Lernstand der Klasse und dem Monatsziel sowie Informationen, was gerade gemacht wird in der Klasse und was demnächst ansteht, wichtige Termine oder Aktionen. Man ist stets informiert und kann – wenn man will – alles immer nachverfolgen. Ebenfalls kann man auch zu jeder Zeit einen Lehrer kontaktieren wenn Fragen aufkommen.

Julian LIEBT seine neue Schule hier. Die Okotoks Junior High School.

Gerade weil es keine Lästereien, Mobbing oder andere unschöne Dinge gibt. In Deutschland hatte er in seiner Klasse zum Beispiel 2 Freunde. Hier ist die gesamte Klasse mit ihm befreundet!!! Und darüber hinaus noch einige mehr aus anderen Klassen. Das Sportangebot der Schule ist auch enorm. In Deutschland haben wir die Erfahrung gemacht, dass mehr Fußball als sonst was gespielt wurde. Weil es halt die meisten interessierte. Aber das ist nicht, was Sportunterricht sein sollte. Man sollte viele neue Sportarten kennen- und evtl. auch lieben lernen. Julian ist hier erstmals mit Rugby und Hockey in Verbindung gekommen, was ihm sehr viel Spaß macht. Er hat sich sogar für Crossfit angemeldet, was nochmals 3 mal die Woche Sport heißt zusätzlich zum täglichen (!) Sportunterricht.
Ebenfalls gibt es nicht nur trockene Zusatzfächer und Angebote sondern wirklich tolle Sachen wie Woodworking (Umgang und Arbeiten mit Holz); Wildlife (Tierbeobachtungen); Science and Technologie (Apparate konstruieren und erforschen); Textiles Design usw.

Auch gibt es hier viel mehr Elternengagement. In Deutschland drückt man sich ja eher gern vor zusätzlichen schulischen Aktivitäten, weil man ja eh schon so “busy” ist. Was ich nie verstanden habe, denn, es geht doch ums eigene Kind! Wie kann ich da nicht ein paar Abende oder Stunden im Jahr opfern um an einem Schulfest beim Kuchenverkauf zu helfen oder im Elternbeirat mitzubestimmen, wie es mit der Bildung meines und anderer Kinder weitergeht!?

Und nicht zu vergessen: es gibt sogar kostenlos Frühstück für Kinder,  die daheim noch nichts gegessen haben. 

Hier gibt es ein Programm in jeder Stadt. Auf jedem Fest, Wochenmarkt, in der Bücherei, in gemeinnützigen Geschäften o. ä. kann man Freiwillligenarbeit leisten und bekommt dafür Punkte gutgeschrieben auf der Stadt. Die wiederum kommen sehr gut an, wenn man sich z. B. wo bewirbt. Da kann der Arbeitgeber sehen, ob man engagiert ist und auch mal mithilft.

Was mich zum nächsten Punkt bringt:

Das tägliche Leben in Kanada

Wie schon erwähnt, wird man immer und überall gefragt, wie es einem heute geht. Man erfährt überall Hilfe, wenn man sie braucht. Es gibt viel Freiwilligenarbeit, was für mich bedeutet, dass der Gemeinschaftssinn gestärkt  wird und man weiß, wie viel Freude es bringt zu geben. Dass man einfach tragen kann, was immer man will ohne Blicke zu ernten, finde ich auch wunderbar entspannend. Was mich aber jedes Mal hier wieder und wieder begeistert ist der Verkehr. Alles ist so viel relaxter hier. Die ersten paar Monate hab ich kein einziges Mal die Erfahrung gemacht, dass jemand drängelt oder mich bedrängt im Straßenverkehr. Auto fahren ist hier so relaxt und easy. Dass muss man erlebt haben. Innerorts ist hier meist 40 km/h. Ist anfangs IRRE langsam 🙂

Aber man gewöhnt sich schnell dran. Wer sich in Deutschland beschwert, wenn auf der Autobahn mal wieder ein Geschwindigkeitsbeschränkungsschild (schönes Wort, oder!?) kommt mit 120 km/h hat hier anfangs ebenfalls Probleme. Hier ist nämlich Höchstgeschwindigkeit 110 km/h!! Drüber gibts da nichts. Und was soll ich sagen: Alles nur eine Sache der Gewöhnung! Was ich aber am allerbesten finde: Es gibt niemanden der auf dem Highway von hinten angebraust kommt und dir Lichthupe gibt wie ein Verrückter oder gar drängelt. Von Deutschland ist man ja gewohnt, wenn ein Audi, BMW oder Mercedes im Rückspiegel auftaucht, kanns du gleich mal den Blinker nach rechts setzen um unnötiges Nervenaufreiben zu verhindern. Hier: nichts. Da kann das Auto noch so groß und monströs sein, da drängelt keiner. Überhaupt ist es lustig: Was in Deutschland echt große Autos sind wie z. B. Porsche Cayenne oder Audi Q7 oder Kia Sportage sind hier Mittelklassewagen. Die Autos sind so enorm groß, dass es einem des öfteren die Sprache verschlägt. Aber nein, da wird nicht mit der Größe geprotzt. Die fahren genauso anständig wie ein 3-er Golf. Sehr entspannend. Ein ebenfalls großer und in Deutschland unterschätzter Vorteil ist hier, dass man einfach auch rechts überholen kann. Das spart auch viel Gedrängel auf der linken Fahrspur.

Respekt und Mitgefühl

Was all die o. g. Punkte gemeinsam haben sind der Respekt und das Mitgefühl untereinander und voreinander hier in Kanada.

Respekt z. B. vor Polizei oder den Behörden bekommt man nur, wenn es richtig weh tut, wenn man etwas falsch gemacht hat. Das finde ich z. B. in Deutschland ein großes Mango. Wenn ich zu schnell fahre oder was stehle, was erwarten mich da groß für Strafen!? Tut nicht wirklich weh. Zumindest oft nicht so sehr, dass ich es danach nicht noch einmal mache. Hier anders: Fährst du hier in einer Schulzone (30 km/h) zu schnell, kostet dich das richtig was. Da versteht die Polizei gar keinen Spaß. Das kostet dich, je nachdem wie viel zu schnell du unterwegs warst, auch mal deinen Führerschein. Aber wenn es “nur” 10 km/h zu viel war, bist du gleich mal 400 Dollar los und ein paar Punkte reicher. Und von wegen Diskutieren mit dem Polizisten…. das ist hier ganz klar geregelt: Wer seinen Fehler nicht einsieht und mit einer Staatsgewalt zu diskutieren anfängt, kriegt gleich noch ein paar hundert drauf geladen. Und einen Termin zur Vorsprache beim Gericht. Da kannst du dich dann beschweren und mit dem Richter diskutieren. Mit der Polizei diskutiert hier keiner!

policecanada-ca
policecanada.ca

Kinder werden hier wie ihr schon gemerkt habt groß geschrieben. Wer an der Straße einen Passanten stehen sieht, der über die Straße möchte und du hälst nicht an…. da bezahlst du auch gleich  mal 550 $ (!) plus Punkte! Kinder wie auch Erwachsene haben überall “Vorfahrt”. Ne nicht ganz einfache Sache z. B. auf nem Supermarktparkplatz. Da ist mir schon öfter jemand hinterm Auto aufgetaucht….UPS. Wenn man gewohnt ist, dass die PASSANTEN den Weg frei machen ist das zuerst gar nicht mal so einfach umzusetzen. Strafe musste ich Gott sei Dank noch keine zahlen. Hat noch kein Polizist gesehen. SEHEN tust du es auf jeden Fall wenn die Polizei was von dir will. Das ist ein wahres Blitzleuchtgewitter wenn die hinter dir ihre Blaulichter einschalten.

Übrigens haben auch Rehe und ganze Rehfamilien “Vorfahrt”. Was irre klingt, ist hier alltäglich. Rehe und ihre Kitze spazieren des öfteren durch die Straßen und grasen in den Vorgärten oder halten Autoschlangen ab vom Weiterfahren, weil sie mitten auf der Straße stehen und auf ihre Kitze warten bis es dann weitergeht auf die andere Straßenseite. Natürlich ganz relaxt.

Dieses Wochenende war hier in Okotoks “Light Up Okotoks”. Das ist ein großes Event in der Altstadt wo die Weihnachtslichter erstmals eingeschaltet werden. Es waren bestimmt 2000-3000 Leute da. Der Wahnsinn. Und ihr werdet das nicht glauben, aber das ist wiederum etwas, was ich von Deutschland nicht kenne und von dem ich glaube, dass du in Deutschland keine Stadt finden wirst, die das tut: Es gab die ganze Straße entlang Stände mit heißer Schokolade (mit kleinen Marshmallows drin) und Plätzchen und Popcorn…. FÜR UMSONST!!!!! FÜR JEDEN!!! SO sieht eine Stadt aus, die will, dass ihre Bürger an Festen teilnehmen, zahlreich kommen und einfach einen schönen Abend gemeinsam verbringen. Es gab Weihnachtssänger, Livemusik, Kutschfahrten durch die beleuchtete Stadt… Es war wunderschön. Und das alles umsonst. Man konnte einfach nur mit den Kindern durch die Einkaufsstraße schlendern, heiße Schokolade schlürfen und die Lichter bewundern.
 

Zusammenfassend kann man sagen:

  • lass andere ihr Leben leben und dann kannst auch du in Ruhe DEIN Leben leben
  • achte auf deine Kinder; lehre ihnen Respekt und Mitgefühl indem du es ihnen vorlebst und nicht auf andere hoffst, dass sie es tun
  • Fuß vom Gas – das Leben kann so schön sein ohne Gedrängel. Und schneller kommst du doch nicht ans Ziel; noch dazu gesund und ohne andere zu gefährden
  • entschleunige
  • sei freundlich zu anderen und du wirst sehen, dass alles zu einem zurückkommt, was man aussendet

 

 

4 Gedanken zu „Deutschland – Kanada – Der Vergleich“

  1. Hi Marion
    super geschrieben, wirklich. Ja ich glaube, dass das alles prägt und im Hinterstübchen dann auch sitzt, wenn man wieder zu Hause ist.
    Dieser Beitrag wird sicher vielen gefallen.
    Grüße aus Hessenthal
    Mama

  2. Hi Marion,
    sehr interessant was du alles berichtest. Ich finde deinen Blog sehr gelungen.
    Habt weiterhin eine wunderbare Zeit…
    Herzliche Grüße
    Anja

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